Was das Paradox of Choice für Mass Customization bedeutet

Kennen Sie das Gefühl, so viele Auswahlmöglichkeiten präsentiert zu bekommen, dass sich eine klare Entscheidung für die beste Option nur schwierig treffen lässt? Denken Sie beispielsweise an ein Zahnpasta Regal in einem Supermarkt: können Sie sicher sein, sich für die am Besten geeignete Marke zu entscheiden?

Für dieses Gefühl, oder eher noch für die Auswirkungen desselben hat der Psychologe Barry Schwarz einen Begriff geprägt, er nennt es Paradox of Choice. Nämlich, dass mehr Auswahlmöglichkeiten es Menschen schwerer machen, eine Entscheidung zu treffen, die sie zufriedenstellen kann und keine Zweifel aufkommen lässt. Für personalisierte Produkte hat dieses Paradox of Choice eine nicht zu vernachlässigende Implikation: Je größer die Anzahl an Varianten und möglichen Optionen eines angebotenen Produktes ist, desto größer ist das Risiko für die sogenannte Choice Paralysis.

Mit mehr Varianten und möglichen Optionen eines angebotenen Produktes steigt das Risiko, dass Kund*innen an einen Punkt geraten, an dem ihre Entscheidung als zu schwierig wahrgenommen wird. Hier kommt es dann zur Choice Paralysis: Es, wird einfach keine Entscheidung getroffen, was bedeutet, dass gar nichts gekauft wird.[1]

Das Paradoxon

Das wohl bekannteste Experiment zur Überprüfung der Theorie wurde in einem kalifornischen Gourmet Supermarkt durchgeführt. Forscher*innen stellten zeitlich versetzt einen Stand mit Kostproben für Marmeladen auf. Einmal mit sechs unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und einmal mit 24. Kund*innen, die Marmeladen gekostet hatten, erhielten im Anschluss einen Gutschein, mit dem sie die Marmeladen zu einen reduzierten Preis kaufen konnten.


Von den passierenden Kund*innen kosteten sich 60 Prozent durch das größere Sortiment, beim kleineren wollten nur 40 Prozent eine Geschmacksrichtung probieren. Dies ist der erste Teil des Paradoxons: eine größere Auswahl zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich. Soweit, so klar. Knapp ein Drittel derer, die Marmelade am Stand mit 6 Geschmacksrichtungen probieren, kauften anschließend mit dem erhaltenen Gutschein ein Glas. Doch unter denen, die am Stand mit den 24 Varianten stehen blieben, entschieden sich nur 3 Prozent zum Kauf.2


Dieses erstaunliche Ergebnis macht deutlich, dass eine Balance gefunden werden muss: Zu wenige Auswahlmöglichkeiten und weniger Menschen empfinden das Angebot attraktiv genug, um sich damit auseinanderzusetzen. Doch zu viele Optionen können mehr Menschen überfordern, sie können keine Entscheidung treffen, die für sie als richtig genug empfunden wird, und treffen daher überhaupt keine Entscheidung (kaufen also gar nicht).



Wo liegt die goldene Mitte?

Die Ursache dafür ist nicht vollständig geklärt und es gibt verschiedene wissenschaftliche Erklärungsversuche. Man kann jedoch annehmen, dass es eine Mischung aus zwei Dingen der Grund dafür ist: Einerseits der Informationsüberfluss (information overload), der von zu vielen Optionen ausgelöst werden kann. Denn um abzuwägen, welche Option am Besten zu den individuellen Anforderungen passt, müssten die Vor- und Nachteile aller vorhandenen Möglichkeiten verglichen werden. Andererseits die antizipierte Kaufreue (buyer's remorse), also das Gefühl, nach einem getätigten Kauf nicht die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Gibt es nur eine Option, kann man sich ja praktisch nicht falsch entscheiden. Gibt es jedoch hunderte, kann man sich im Nachhinein leicht fragen, ob man denn nun wirklich die beste Option gewählt hat.

 

Natürlich könnte man in Anbetracht dieser Tatsachen die Schlussfolgerung ziehen, dass sich ein konfigurierbares Produkt mit mehreren Optionen schlechter verkauft als ein Standard-Massenprodukt, was einen Konfigurator überflüssig macht. Allerdings ist es etwas komplizierter. Es geht nicht darum, keine oder nur sehr wenige Auswahlmöglichkeiten anzubieten sondern darum, den User*innen die Optionen so zu kommunizieren, dass der kognitive Aufwand möglichst gering gehalten wird. Das bedeutet, die Navigation durch die Auswahlmöglichkeiten so zu gestalten, dass die Nutzer*innen Freude an der Produkt-Individualisierung haben.


Choice Navigation

Choice Navigation als Themengebiet beschäftigt sich in erster Linie damit, die User bestmöglich in ihrem Konfigurationserlebnis zu unterstützen. Dies passiert zum einen durch die Identifizierung ihrer individuellen Bedürfnisse und zum anderen durch die Reduktion der wahrgenommen Komplexität, um genau diesem Paradox of Choice entgegenzuwirken.[3] 


Weil Konfiguratoren so unterschiedliche Use Cases und Produkte abbilden und sich an verschiedenste Märkte richten, gibt es kein Standard-Rezept für Choice Navigation: Ein LKW-Konfigurator wird andere Herausforderungen haben als ein T-Shirt Konfigurator. Grundsätzlich kann man aber unabhängig davon einige Best Practices heranziehen:


1. Weniger Optionen

Falls man schon Daten zu Konfigurationen gesammelt hat, bietet sich an, Optionen zu entfernen, die nur sehr selten oder nie gewählt werden. Der wahrgenommene kognitive Aufwand ist bei 9 Optionen selbstverständlich geringer als bei 30 Optionen.

2. Relevanteste Optionen zuerst

Wenn davon ausgegangen werden kann, dass 75% der User eine von 5 identifizierten Optionen auswählen wird, sollen diese auch zuerst angezeigt werden. Diese Sortierung nach Relevanz kann entweder manuell vorgenommen werden, oder mit der richtigen Konfigurator-Software auch automatisiert passieren.

3. An vorherige Auswahl anpassen

Können auf Basis von vorhergehender Auswahl einige Optionen identifiziert werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit das Bedürfnis des Users abdecken? Denken Sie zum Beispiel an einen Autokonfigurator: Wählt ein User einen Sport-Motor aus, wird dieser wohl ein Sportgetriebe einer Standard-Variante vorziehen. Dieses kann dann oben mit einem Hinweis wie “basierend auf Ihrer Auswahl” prominent visualisiert werden.

4. Kategorisierung

Wenn man die Optionen in Subkategorien unterteilen kann, sollten diese auch so dargestellt werden, damit sich User*innen besser zurechtfinden. Es ist um ein vielfaches leichter, 3 Optionen in 3 Kategorien miteinander zu vergleichen, als 9 Optionen gleichzeitig.

5. Am Individualisierungs-Wunsch orientiert

Diese Möglichkeit ist eine Variante von Punkt 2: Die beliebtesten Optionen können dargestellt werden und ein Button mit “mehr anzeigen” kann alle verfügbaren Optionen aufklappen. So geht man auf den gewünschten Grad der Individualisierung des Users optimal ein.



Zusammengefasst

User dürfen sich nicht von einer zu großen Auswahl “erschlagen” fühlen. Der kognitive Aufwand für den Vergleich unterschiedlicher Varianten muss so klein wie möglich gehalten werden. Es geht nicht darum, nur wenige Optionen anzubieten, sondern diese so darzustellen, dass eine Entscheidung leicht getroffen werden kann.



Quellen

[1] B. Schwartz, "The paradox of choice: Why more is less." New York: Ecco, 2004.

[2] S.S. Iyengar and M.R. Lepper, “When choice is demotivating: Can one desire too much of a good thing?” in: Journal of personality and social psychology, 79(6), 2000, p.995.

[3] F. T. Piller and P. Blazek, “Core Capabilities of Sustainable Mass Customization” in: A. Felfernig, L. Hotz and C. Bagley (Eds.), Knowledge-based Configuration: From Research to Business Cases, Waltham, 2014, pp. 107–120.


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